Der Jüdische Friedhof

Kurze Geschichte des Friedhofs
Um 1600
Die jüdische Gemeinde Laudenbach kauft ein Stück Wald auf dem Laudenbacher Schlossberg. Das Gelände wird von den jüdischen Gemeinden im Einzugsbereich als Beerdigungsplatz genutzt. Bei einer Erhebung jüdischer Familien im Jahr 1623 wird erstmals ein jüdischer Totengräber erwähnt (1).
1630 Der jüdische Friedhof in Laudenbach wird erstmals schriftlich erwähnt (2).
1655   Für die Laudenbacher jüdische Gemeinde wird ein Verwalter (Gabbai) genannt, der in der Regel Verwaltungsaufgaben für den Friedhof, die Synagoge und Mikwe übernimmt (3), (4).
1873/74   Die große Mauer um den Friedhof wird errichtet.
1909:   Erweiterung des Friedhofsgeländes auf seine heutige Größe.
Größe: Fläche Insgesamt: 2,3 Hektar, belegte Fläche: 1,6 Hektar
Zahl der Gräber: mehr als 6000
Zahl der sichtbaren Grabsteine: 2447
Frühere Besitzer des Friedhofes: Insgesamt 16 Gemeinden, unter anderen die jüdischen Gemeinden in Adelsberg, Hessdorf, Lohr, Urspringen, Gössenheim, Veitshöchheim, Laudenbach.

Friedhof HP1

Foto: Gerd Brander

In gebührender Entfernung vom Dorf auf dem Rücken des Laudenbacher Schlossberges befindet sich am Waldrand einer der größten jüdischen Friedhöfe Bayerns. Die Juden nennen ihn Beth Olamin, das Haus der Ewigkeit oder der „Gute Ort“. Oft wird er auch als Beth ha Chajim, das „Haus der Lebenden“ oder „Haus des ewigen Lebens“ bezeichnet. Ein Friedhof als Haus des ewigen Lebens?  Das Fleckchen Erde, in dem der Verstorbene ruht, gehört ihm für alle Ewigkeit. Anders als in der christlichen Tradition werden im Judentum die Verstorbenen niemals umgebettet. Nichts darf auf einem jüdischen „Guten Ort“ die Totenruhe stören. Deswegen sehen jüdische Friedhöfe für christliche Augen oftmals etwas verwahrlost aus, weil man in den Lauf der Dinge kaum eingreift. Wenn ein alter Stein schräg steht, dann lässt man ihn, wenn eine Inschrift verwittert, wird sie in der Regel nicht erneuert. Es werden keine Blumen auf die Gräber gepflanzt, auch den üblichen Grabschmuck sucht man vergebens. Auf einer schlichten Wiese liegen die Verstorbenen dicht neben einander und die Gräber gehen langsam wieder in den Naturzustand über. Als Zeichen der Ehrerbietung für die Toten hinterlassen Besucher einen kleinen Stein.

Den jüdischen Friedhof in Laudenbach gibt es spätestens seit 1600, wahrscheinlich wurde das Gelände schon früher als Begräbnisplatz genutzt. Bereits 1623 wird ein jüdischer Totengräber erwähnt. Er hat eine Frau und drei Kinder und ernährt sich „hautiglich mit der Kötzen und schlechter wahren“ (1). Spätestens im Jahr 1655 gibt es in Laudenbach auch einen Verwalter für Synagoge, Mikwe und Friedhof. Die erste schriftliche Erwähnung des Friedhofs stammt aus dem Jahr 1630. In einer Amtsrechnung erwähnt der Karlstadter Amtmann Tobias Hoch die jährliche Grundsteuer, die für den Friedhof zu entrichten war: „2 fl. geben die Juden von iren Begrebnis“ (2).

Dass der Friedhof von Anfang an Eigentum mehrer Gemeinden war ist eher unwahrscheinlich. Die jüdische Gemeinde Laudenbach kaufte das Gelände wohl zunächst alleine, zu einem späteren Zeitpunkt kauften sich weitere Gemeinden als Miteigentümer ein. Genutzt wurde er natürlich von Verstorbenen aus allen umliegenden jüdischen Ansiedlungen. Im Jahr 1829 waren folgende 14 Gemeinden Eigentümer des Friedhofs: Laudenbach, Urspringen, Rothenfels, Steinbach, Wiesenfeld, Adelsberg, Heßdorf, Höllrich, Thüngen, Veitshöchheim, Himmelstadt, Zellingen, Leinach und Greußenheim.

Die große Steinmauer wurde 1873/74 errichtet (5) und im Jahr 1909 angepasst, als der Friedhof auf seine heutige Größe von 2.3 Hektar erweitert wurde.

Friedhof HP2

Foto: Gerd Brander

Vor allem die alten Grabsteine sind oben meist abgerundet, man sieht Steine mit einem Bogen, mit zwei, auch solche mit drei Bögen. Da den Juden die Ausübung eines Handwerks verboten war wurden sie durch ortsansässige christliche Steinmetze gefertigt. Der weiche rote Sandstein hat viele von den ganz alten Inschriften längst wieder hergegeben. Sie sind durch die Witterung der Jahrhunderte unleserlich geworden – ein unersetzlicher Verlust.

Verlässt man den alten Bereich, so kann man an den jüngeren Grabsteinen gut erkennen, wie sich die Stellung der Juden in der Gesellschaft verändert hat. Jetzt fühlten sie sich mehr und mehr als Teil der christlichen Mehrheitsgesellschaft, In diesem Zusammenhang näherte sich die jüdische und die christliche Begräbniskultur einander an.  Man sieht große, aufrecht stehende Steine aus unterschiedlichen Steinarten, viele mit gleichzeitig deutscher und hebräischer Inschrift, reich verziert mit Ornamenten und Symbolen.

Ein Friedhof ist der Ort des ewigen Lebens und der ewigen Ruhe. Dass das auch in Laudenbach nicht immer der Fall war, berichten die vielen Zerstörungen und Schändungen.

Über 6000 Menschen sind auf dem Laudenbacher Friedhof beerdigt, 2447 Steine sind noch sichtbar. Einige Symbole auf den Steinen erzählen von der Herkunft des Verstorbenen – die segnenden Hände verweisen auf einen Kohanim, auf eine priesterliche Abstammung, eine Kanne zeigt auf einen Leviten. Andere Symbole berichten aus dem Leben des Verstorbenen. Das Schofarhorn berichtet davon, dass der Verstorbene die ehrenvolle Aufgabe ausübte, in der Synagoge das Widderhorn zu blasen. Ein aufgeschlagenes Buch spricht von der Gelehrsamkeit des Toten, eine abgeknickte Rose von einem allzu frühen Tod.

Friedhof HP3

Foto: Gerd Brander

Der jüdische Friedhof in Laudenbach hatte ein sehr großes Einzugsgebiet zwischen Marktheidenfeld und Arnstein, zwischen Gemünden und Veitshöchheim.

Entsprechend weit waren die Wege nach Laudenbach. Die Verstorbenen wurden auch im Winter bei Schnee und Eis, in der Regel von 8 jungen Männern auf einer Bahre zu Fuß getragen. Da die Verstorbenen im Judentum innerhalb von 24 Stunden begraben werden mussten, war stets Eile geboten. In Laudenbach gab es eine Beerdigungsbruderschaft (Chewra Kadisha), die sich um alle Angelegenheiten bei der Begleitung des Verstorbenen und seiner Angehörigen kümmerte. Nach dem oftmals langen Transport aus seinem Heimatort wurde der Leichnam zunächst in den Tahara-Raum der Synagoge gebracht, der durch einen separaten Eingang auf der Mainseite betreten werden konnte. Dort wurde der Körper mit Güssen von „lebendigem Wasser“  unter Segenssprüchen rituell gereinigt. Erst danach konnte der letzte Gang angetreten werden: durch das Dorf, die Rathausgasse hinauf, an der mittelalterlichen Wertheimer Burg vorbei auf den Schlossberg.

Die Dokumentation der Grabsteine

Die hebräischen Inschriften auf den Steinen sind kulturhistorisch überaus wertvolle Dokumente jüdischen Lebens. Sie erzählen Geschichten über Familie, Beruf und Wirken des Verstorbenen, über seine Herkunft, Geburt und Tod. Es sind einzigartige Lebensgeschichten von Menschen, die hier ansässig waren und Teil unserer Kultur geworden sind. Wer den jüdischen Friedhof in Laudenbach kennt, der weiß, dass der rote Buntsandstein dieses in Stein gehauene Archiv nicht konservieren kann. Wasser dringt in das poröse Material, der Frost sprengt Jahr um Jahr ganze Platten heraus und zerstört die zum Teil uralten steinernen Dokumente.

Die Grabsteine können langfristig nicht gerettet werden, umso drängender ist es, eine Dokumentation des Laudenbacher jüdischen Friedhofs zu erstellen. Durch die Vermittlung von Frau Prof. Dr. Mona Hess von der Universität Bamberg konnte Andreas Maul gewonnen werden, der im Rahmen seiner Bachelorarbeit eine zentimetergenaue Geländekarte des Friedhofs erstellt hat. Erstmals war es nun möglich, jedem Stein eine eigene Nummer zu geben, damit man auch die sehr alten Grabstellen sicher erkennen und wiederfinden kann. Im Oktober 2020 begann die fotografische Dokumentation aller Steine des Friedhofs. Das auf zwei Jahre angelegte Projekt wurde ehrenamtlich durch Mitarbeiter des Förderkreises „ehemalige Synagoge Laudenbach e.V.“ und weitere Ehrenamtliche durchgeführt. Mit Frau Susanne Klemm vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, Frau Dr. Rotraud Ries vom Johanna Stahl-Zentrum in Würzburg, sowie Frau Prof. Dr. Talabardon und Frau Dr. Rebekka Denz von der Professur für Judaistik in Bamberg standen uns vier erfahrene Fachfrauen zur Verfügung, die das Projekt der Dokumentation des jüdischen Friedhofs in Laudenbach begleiteten und unterstützten.  Das Landesamt für Denkmalpflege sponserte eine professionelle Fotoausrüstung. Zwischen 2020 und2022 wurden alle 2447 Steine fotografiert und dokumentiert um sie zu sichern und sie zu einer späteren Zeit durch Fachleute lesen und auswerten zu können. Einige Fotos der Grabsteine wurden vom Landesamt für Denkmalpflege digital bearbeitet und sind auf der Datenbank Bet Olam abrufbar. Die Datenbank wird um die Biografien der Verstorbenen erweitert und kann weltweit eingesehen werden. Derzeit suchen wir nach einem Projektträger für die Finanzierung der Übersetzung der Grabsteine. Nur so kann dieses wertvolle Archiv für uns und kommende Generationen erhalten werden.
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Führungen durch den Friedhof finden jeden 2. Sonntag im Monat von 13.30 Uhr bis 15.30 Uhr oder nach Vereinbarung statt.

Ansprechpartner für die Dokumentation der Steine: Georg Schirmer, 97753 Karlstadt-Laudenbach, Heldstraße 47, Telefon 09353/1509

  • (1): Staatsarchiv Würzburg Admin 416 / 8318
  • (2): Staatsarchiv Wertheim G-Rep. 57/1 Laudenbach Nr. 13
  • (3): Scherg 2000: Jüdisches Leben im Main-Spessart-Kreis, S. 26
  • (4): Müller, Karlheinz: Bildungsrang und Spiritualität der Würzburger Juden. In: Unterfränkische Geschichte 2, 1992, S. 374 – 401, hier S. 393
  • (5) Staatsarchiv Würzburg Reg. von Ufr. 7121 KAR