Geschichte der jüdischen Gemeinde

Kurzversion

1426  Eine Weisung des Wertheimer Grafen Johann zur Erhebung von Judenzinsen belegt die Anwesenheit von 2 jüdischen Familien in Laudenbach bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts.
1516 Mehrere Einträge im Wertheimer Staatsarchiv handeln von jüdischer Siedlungstätigkeit in Laudenbach im 16. Jahrhundert.
um 1600 der jüdische Friedhof in Laudenbach wird gegründet.
1621 Es leben 8 jüdische Familien in Laudenbach, ungefähr 30 bis 40 Menschen. (2)
1657 Erste Erwähnung der Synagoge in Laudenbach. (4)
1817 Die Zahl der jüdischen Einwohner erreicht mit 163 ihren höchsten Stand. Es gibt 31 Familien und drei Alleinstehende. Alle Familien ernähren sich vom Handel mit Landwaren aller Art: acht von ihnen betreiben Viehhandel, drei sind Schächter, drei sind Schmuser, sechs Kleinsthändler ernähren sich vom Honig-, Alteisen- oder Lumpenhandel, 13 leben vom Landhandel. (5)
1828 Die Mikwe in der Dorfmitte (Mühlecke 1) wird erbaut. Die Vorgängermikwe befand sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Keller unter der Synagoge.
1861 Nach der Aufhebung der Zuzugsbeschränkungen wandern viele Laudenbacher Juden in die Städte, wo sie sich ein besseres Leben versprechen, viele von ihnen siedeln in Karlstadt.
1866   Die jüdische Bevölkerung soll Zugang zu Wald-, Wasser- und Weidenutzungen erhalten, es entstehen massive Unruhen. Juden in Laudenbach und Wiesenfeld werden angegriffen und verfolgt. In Laudenbach kann nur eine Einheit von 150 Soldaten die Pogrome eindämmen. (6)
1920   Die Laudenbacher jüdische Gemeinde renoviert aufwändig ihre Mikwe.
1933   Es leben nur noch 79 Juden in Laudenbach. 55 von ihnen wandern angesichts der zunehmenden Einschränkungen und Schikanierungen aus.
1938 Es gibt nur noch 24 Juden in Laudenbach. Sie erleben am Morgen des 10. November die Zerstörung ihrer Häuser und ihrer Synagoge. Die Männer werden in Konzentrationslager verschleppt.
1942 Die letzten verbliebenen 13 jüdischen Laudenbacher sterben in den Vernichtungslagern in Polen.

Jüdische Kulturstätten und jüdische Häuser in Laudenbach 1921

Jüdische Kulturstätten und jüdische Häuser in Laudenbach 1921 (Geobasisdaten Bayerische Vermessungsverwaltung (CC BY-ND 3.0)eigene Bearbeitung)

„die Judenzins zu Laudenbach … achtzehen Gulden von zweyen Juden“
Zur Entstehung der jüdischen Gemeinde in Laudenbach und ihrer Synagoge

An der westlichen Außenmauer der Synagoge in Laudenbach befindet sich noch heute der Hochzeitsstein (Chuppastein). Es handelt sich um eine viereckige Tafel aus rotem Sandstein, gegen die bei einer Hochzeit ein Glas geworfen wurde, zum Gedenken an die Zerstörung des jüdischen Tempels. Eine Jahreszahl zeigt das Jahr 1736. Lange Zeit hat man angenommen, dass in diesem Jahr die Synagoge in Laudenbach erbaut worden ist.

Das Gebäude ist jedoch wesentlich älter. Anhand eines Baugesuchs aus dem Jahr 1736 lässt sich nachweisen, dass das Gebäude bereits zur damaligen Zeit schon lange Zeit als Synagoge genutzt worden ist. Im Jahr 1736 wurde sie nicht erbaut, sondern grundlegend saniert.

„…dass wir in gnädigsten Schutz zu Laudenbach angesessene Judenschafft von unvordenklichen Jahren her hier unsere eigene Synagog … haben. Nun ist aber dermahlen solche Synagog wegen alterthumbs ganz ruinos und baufällig“, schreibt die Laudenbacher jüdische Gemeinde am 11. Mai 1736 an den Karlstadter Amtsverweser (1).

Die erste Erwähnung von Juden in Laudenbach stammt aus dem Jahr 1426, wie eine Erhebung des Wertheimer Grafen Johann zur Feststellung der Judenzinse in Wertheim, Freudenberg und Laudenbach zeigt. Burg und Ortschaft Laudenbach gehörten zum Wertheimer Besitz. In dem Dokument (Staatsarchiv Wertheim G-Rep102 Nr. 2184) ist von zwei jüdischen Haushalten die Rede, die für ihren Schutzbrief 18 Gulden an die Herrschaft in Wertheim zahlen müssen. Nachweise über eine kontinuierliche jüdische Ansiedlung in Laudenbach gibt es aus dem 16. Jahrhundert. Die jüdischen Händler im Ort unterhalten in dieser Zeit bereits weit reichende überregionale Handelsverbindungen. Im Jahr 1621 leben 7 jüdische Familien und eine allein stehende Witwe in Laudenbach. Ihre Namen und Berufe sind überliefert: die Haushaltsvorstände Moses, Jakob und Michel Oringer sind Tuch- oder Gemischtwarenhändler, ebenso wie die Familien Benedikt und Salomon. Die Familie Simon ernährt sich vom Leinenhandel, der Vorstand der Familie Abraham lebt vom Handel mit Pferden. Die allein stehende Witwe Gütlein schließlich verdient sich als Näherin (2).

Die Zahl der in einer Familie lebenden Menschen muss mit durchschnittlich 5 Personen angenommen werden, so dass man am Anfang des 17. Jahrhunderts  von einer bereits stattlichen jüdischen Landgemeinde in Laudenbach mit über 30 Einwohnern ausgehen kann. In diese Zeit fällt die Gründung des Laudenbacher Friedhofs und damit auch die Anfangszeit einer vollständigen jüdischen Gemeinde mit Synagoge, Tauchbad und Friedhof.

Woher kamen die ersten Laudenbacher Juden?

Die Grafen von Wertheim als Territorialherren von Laudenbach zeigten hohes Interesse an einer Ansiedlung jüdischer Familien im Ort. Man muss davon ausgehen, dass die ersten Juden zum Ende des 14., spätestens am Anfang des 15. Jahrhunderts aus anderen Gemeinden nach Laudenbach eingewandert sind. Ob sie aus ihrer ursprünglichen Heimat vertrieben oder ob sie durch die Wertheimer Grafen aktiv für eine Siedlung in Laudenbach angeworben wurden, ist nicht bekannt. Vieles spricht für die zweite Möglichkeit, denn die Wertheimer hatten im Jahr 1379 das Stadtecht für Laudenbach erwirkt und waren um seinen wirtschaftlichen Aufschwung sehr bemüht. Der jüdische überregionale Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und Wein war einer der maßgeblichen Faktoren für eine wirtschaftlichen Belebung des Ortes. Zudem ließen sich die Grafen das Wohnrecht der jüdischen Familien durch Abgaben und Steuern gut bezahlen – eine nicht unerhebliche Einnahmequelle für das Grafenhaus. Es müssen bereits in dieser frühen Zeit ausreichend gute Bedingungen für den jüdischen Handel in Laudenbach existiert haben. Dafür spricht auch die günstige Lage des Ortes an zentralen Verkehrs- und Handelswegen und die unmittelbare Nähe des Mains als Hauptwasserstraße.

Da Juden weder ein Handwerk erlernen noch in der Landwirtschaft arbeiten durften blieb ihnen zum Nahrungserwerb ausschließlich der Warenhandel und Geldgeschäfte. Durch wiederholt ausgesprochene Ansiedlungsverbote und Vertreibungsversuche der Würzburger Fürstbischöfe entstand für Juden in den folgenden Jahrhunderten ein Auswanderungsdruck aus den größeren Städten und den Ortschaften des Hochstifts. Der fränkische Kleinadel hingegen zeigte sich durchaus interessiert an jüdischer Zuwanderung. Nach und nach entstand in vielen fränkischen Dörfern das Landjudentum.

Der Einzugsbreich des jüdischen Verbandsfriedhofes Laudenbach

Der Einzugsbreich des jüdischen Verbandsfriedhofes Laudenbach

Vor allem eine Veränderung war einschneidend: aus den überwiegend sesshaft lebenden früheren Juden der Städte wurden nun wandernde Händler, die täglich mit Krätzen und Körben auf dem Rücken von Haus zu Haus und von Dorf zu Dorf zogen um als Hausierer den Bauern ihre Waren anzubieten: Getreide, Vieh, Rindertalg, Honig, Altkleider, Tuch, und Dinge des täglichen Bedarfs für die Bauersfrauen. Jüdische Landhändler waren über Jahrhunderte aus dem Ortsbild eines unterfränkischen Dorfes nicht wegzudenken. Sie wurden zu einem wesentlichen Teil der fränkischen Kultur.

Der jüdische Friedhof in Laudenbach war wohl die erste gemeinsam geschaffene Einrichtung des sich organisierenden Landjudentums in den Dörfern der Region. Man fand ein geeignetes Gelände auf dem Laudenbacher Schlossberg über dem Dorf, oberhalb der mittelalterlichen Wertheimer Burg. Ein landwirtschaftlich uninteressantes Areal, direkt am Wald und genügend weit vom Dorf entfernt. Ausschlaggebend für die Anlage des Friedhofes gerade in Laudenbach wird die zentrale Lage der aufstrebenden jüdischen Siedlungen in der Region gewesen sein. Er war mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht von Anfang an als Verbandsfriedhof angelegt, denn die jüdischen Gemeinden der Region waren zu dieser Zeit erst im Aufbau. Nach und nach kauften sich bis zu 15 weitere Gemeinden der Umgagend in den Besitz des Friedhofs ein. Sein Einzugsgebiet reichte von Arnstein bis Marktheidenfeld, von Würzburg und Veitshöchheim bis Gemünden.

Auch die Möglichkeit zur rituellen Reinigung in einer Mikwe muss es damals bereits gegeben haben und schließlich einen gemeinsamen Versammlungsraum, die Synagoge.

Dass die Synagoge der jüdischen Gemeinde Laudenbach bereits im 17. Jahrhundert eine zentral besuchte Einrichtung in der Region war zeigt ein aktenkundig gewordener Konflikt im Jahr 1667. Beim Gottesdienst in der Synagoge gerieten mehrere jüdische Gottesdienstbesucher miteinander in Streit, es kam zu Handgreiflichkeiten. Bemerkenswert ist: in die Auseinandersetzungen waren nicht nur Juden aus Laudenbach verwickelt sondern auch Karlburger, Himmelstadter und Mühlbacher. Warum der Streit so eskalieren konnte, verraten die Unterlagen nicht, aber es wird deutlich, dass im Jahr 1667 auch die Juden aus den Nachbarorten zum Schabbatgottesdienst nach Laudenbach kamen.

Jüdische Einrichtungen und Häuser im Jahr 1921

Jüdische Einrichtungen und Häuser im Jahr 1921                                        (Geobasisdaten Bayerische Vermessungsverwaltung (CC BY-ND 3.0)eigene Bearbeitung)

Am Morgen des 10. November 1938 wurde die Inneneinrichtung der Synagoge von einem SA-Trupp und beteiligten Dorfbewohnern vollständig zerstört, man drang in die Häuser der jüdischen Nachbarn ein, zerstörte ihr Eigentum und verschleppte die Männer in Konzentrationslager.

Die noch verbliebenen dreizehn jüdischen Bewohner Laudenbachs wurden im Jahr 1942 zusammen mit anderen mainfränkischen Juden in Würzburg zusammengetrieben und in den polnischen Vernichtungslagern ermordet.

Die ehemalige Laudenbacher jüdische Gemeinde zählt heute zu einer der ältesten, ihre Einrichtungen zu den besterhaltenen in unserer mainfränkischen Region. Das jüdische Leben und die jüdische Kultur in Laudenbach reichen kontinuierlich von der Zeit des ausgehenden Mittelalters bis zur Schoa, eine Spanne von fast 600 Jahren. Die Spuren ihres Bestehens im Dorfbild sind so prägnant erhalten wie nur an wenigen anderen Orten in Unterfranken.

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(1) StAW GebrAmt V C 63
(2) Bohrer, Markus: Die Juden im Hochstift Würzburg im 16. und am Beginne des 17. Jahrhunderts (Diss.) Freiburg 1922, S. 122
(3) Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der Jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Gütersloh, S. 2439
(4) Diözesanarchiv Würzburg Landkapitelakten LK 195, Karlstadt VR 1657-1660
(5) Rosenstock, Dirk (Bearb.): Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle. Würzburg Schöningh 2008, S. 168 f
(6) Harris, James F., Bavarians an Jews in Conflict in 1866: Neighbours and Enemies, in: Leo Baeck Institute Yearbook S. 103-117.