Judenwege in der Region um Laudenbach

2. Wege nach Laudenbach (2)Viele Flurnamen, viele Gassen in Dörfern, viele Höfe oder örtlichen Namen in Unterfranken haben einen jüdischen Bezug. Fast 40 % der bayerischen Flurnamen, die sich in irgendeiner Form auf Juden beziehen, finden sich in Unterfranken, ein untrügliches Zeichen, dass es bei uns eine der höchsten Ansiedlungsdichten mit jüdischen Gemeinden gab. Der Untermainkreis zwischen Karlstadt, Lohr und Marktheidenfeld, also ungefähr die Region des heutigen Landkreises Main-Spessart, war seit dem 18. Jahrhundert der Bezirk mit der höchsten Dichte an jüdischen Gemeinden. Es gibt hier 60 Ortschaften, 46 davon beherbergten jüdische Ansiedlungen, das entspricht einem Anteil von 80 %. (1)

Judenweg ist ein Begriff, der von christlicher Seite geprägt wurde, nicht von den Juden selbst. Bezeichnet werden damit Orte und Pfade außerhalb oder innerhalb geschlossener Ortschaften, die wenig von Christen sondern hauptsächlich von Juden benutzt wurden. Christen fanden diese Wege in den Zeiten großen Aberglaubens eher unheimlich und mieden sie. Es soll in Bayern 300 Judenwege geben (1).

Innerhalb von Ortschaften findet man Judengassen oder Judenhöfe, wie der heutige Schlosshof in Laudenbach, der früher als Judenhof bezeichnet wurde. Neben den Judenwegen trifft man auch auf die Bezeichnung Judenpfad, Judenstraße, -gasse, -buck, -steig, -steg, -graben oder Judental. Daneben finden sich auch Judenbaum, -brunnen, -loch, -stein und -anger.

Merkmale und Funktion der Judenwege

Judenwege besitzen vor allem zwei Merkmale: Sie führen querfeldein zu den Ortsverbindungsstraßen und berühren mit einer einzigen Ausnahme keine Ortschaften.

Daneben gibt es weitere Besonderheiten:

  • Für Christen hatten manche Judenwege etwas Unheimliches, man verband mit ihnen so manchen heidnischen Aberglauben.
  • Sie waren nicht angelegt sondern entstanden ausschließlich durch den täglichen Gebrauch.
  • Als Schabbesweg dienten sie dem samstäglichen Spaziergang nach der Synagoge, auf dem höchstens 2000 Ellen zurückgelegt werden durften (etwas mehr als ein Kilometer). Ausnahmen waren möglich. Viele Landjuden mussten am Sabbat in Nachbarorte zur Synagoge gehen, weil sie im eigenen Ort keine hatten oder weil die Mindestanzahl von 10 Männern (Minjan) nicht zustande kam. Eine gemeinschaftliche Benutzung der Laudenbacher Synagoge mit Himmelstadt (1834) und Karlstadt (frühes 20. Jhd. und ab 1938) lässt sich nachweisen. Auch Mikwen wurden von verschiedenen Gemeinden gleichzeitig genutzt.
  • Die Verstorbenen mussten auf den „Judenwegen“ auf den Friedhof nach Laudenbach getragen werden. Da für den Transport einer Leiche zusätzliche hohe Abgaben an den Zollstationen der Ortschaften zu entrichten waren, versuchte man nach Möglichkeit das Passieren von Orten zu vermeiden.
  • Judenwege als Handelspfade: Juden mussten ständig über Land ziehen um regionale Märkte zu besuchen und die dort erworbenen Waren anschließend auf den Dörfern feilzubieten. Wo es ging, versuchte man öffentliche Straßen und Ortschaften zu vermeiden und ging auf Waldwegen abseits der üblichen Verbindungen.
  • Betteljuden: Arme Juden, die keine Schutzgelder bezahlen konnten, hatten kein dauerhaftes Bleiberecht in den Ortschaften. Sie wurden zu bettelnden Landfahrern und lebten überwiegend auf der Straße, meistens ohne eine Chance zur Veränderung ihrer Situation.

(1): Rösch, Barbara: Der Judenweg. Jüdische Geschichte und Kulturgeschichte aus Sicht der Flurnamenforschung. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2009, S. 82