Mazzenbäckerei

Das Mazzenbrot
Mazze oder Matzen sind ungesäuerte dünne Brotfladen aus Wasser und Getreide, die während des Pessachfestes zur Erinnerung an die Befreiung aus der ägyptischen Sklaverei gegessen werden.

Die Mazzenbäckerei in Laudenbach
Vor der Renovierung des großen gelben Hauses in der Rathausstraße konnte man an der Fassade noch die verblichene Aufschrift „J. Hirschenberger Landesprodukte“ entziffern. Jakob Hirschenberger war der letzte Mazzenbäcker hier am Ort, er betrieb in seinem Haus in der Rathausstraße auch einen Handel mit Getreide und Landwaren. Hirschenberger war 14 Jahre lang ein angesehenes Gemeinderatsmitglied, bevor er am 29. März 1933 von seinem Amt auf Druck der Nationalsozialisten zurücktreten musste. Zusammen mit seiner zweiten Frau Lina hat er seinen vier Kindern rechtzeitig die Flucht aus Deutschland ermöglicht. Die Eltern Lina und Jakob Hirschenberger wurden im Jahr 1942 nach Izbica deportiert und wahrscheinlich im Konzentrationslager Belzec ermordet (1).

Mazzenbäckerei Laudenbach

Zur Saisonzeit arbeiteten in der Mazzenbäckerei Hirschenberger zehn bis zwölf Menschen, darunter auch christliche Mitarbeiter. Um die strenge Reinheit der Brote zu gewährleisten, mussten sich alle Mitarbeiter den vorgeschriebenen jüdischen Reinheitsgeboten unterziehen. Ob darunter auch ein Untertauchen in der Mikwe zählt, ist nicht bekannt.

Die Mazzenbäckerei in Laudenbach war ein großer Betrieb. Die hergestellten Brote wurden nicht nur im Ort selbst verkauft, sondern mit Fuhrwerken und per Bahn in die ganze Region ausgeliefert.

Bestellung von Mazzebrot der jüdischen Gemeinde Mittelsinn bei der Bäckerei Hirschenberger:

Aus: Central Archives for the history of the Jewish people (CAHJP) Jerusalem, D/Mi2/1: Protokollbuch der Israelitischen Kultusgemeinde Mittelsinn 1884 - 1938, Eintrag vom 26.12.1920.

Aus: Central Archives for the history of the Jewish people (CAHJP) Jerusalem, D/Mi2/1: Protokollbuch der Israelitischen Kultusgemeinde Mittelsinn 1884 – 1938, Eintrag vom 26.12.1920.

Ein Laudenbacher Zeitzeuge

Herr S. erzählt: „Bei uns war damals auch Schmalhans der Küchenmeister.“ Als er noch Kind war, habe man nichts gehabt, ein Pausenbrot für die Schule habe es nicht gegeben. Am Morgen sei zum Frühstück jeden Tag Zichorienkaffe aufgebrüht worden, und eine Scheibe Brot wurde auf dem mit Holz befeuerten Herd auf die Eisenringe der Herdplatte gelegt, um sie zu bräunen. Mehr habe es zum Frühstück nicht gegeben. Die Mutter von Herrn S. habe jedoch zur Saisonzeit in der Mazzenbäckerei gearbeitet. Da das Gebäude in der Nähe der Schule liegt, sei Herr S. als Kind in den Unterrichtspausen zur Bäckerei hinuntergelaufen weil er Hunger gehabt habe. Er habe dort von seiner Mutter die Brösel der zerbrochenen Mazzen zu essen bekommen. Obwohl es nur trockenes, ungesäuertes Brot war, habe er diese Brösel doch mit Hochgenuss gegessen (4).

Die traditionelle Herstellung des Mazzenbrots
Mazze werden ausschließlich aus reinem Wasser und koscherem Getreide hergestellt. Vor und während der Zubereitung muss peinlichste Reinlichkeit und Sauberkeit herrschen, vor allem muss vermieden werden, dass die Ausgangsprodukte feucht, verunreinigt oder bereits vor dem Backen erwärmt werden. Der ganze Backvorgang vom Mischen des Wassers mit Mehl bis zum fertig gebackenen Brot darf nicht länger als 18 Minuten in Anspruch nehmen. Das Mehl für die Mazzebrote wird nur in besonderen Mühlen gemahlen und auch der Ofen, in dem die Fladen gebacken werden, darf nicht mit Gesäuertem in Berührung gekommen sein. Das bedeutet, dass während der Zeit des Mazzebackens, also in einer bestimmten Zeitspanne vor und während des Pessachfestes, keine anderen Teigwaren gebacken werden dürfen. Da man die Mazze auch an streng orthodoxe jüdische Gemeinden auslieferte, musste die Herstellung der Brote selbstverständlich auch deren sehr strengen Vorschriften genügen. Manche sehr orthodox orientierte Familien hatten für das Pessachfest sogar ein eigenes Geschirr, das nie für gesäuerte Nahrungsmittel verwendet werden durfte. Liberal ausgerichtete Familien verwendeten das normale Geschirr, das vor dem Pessachfest jedoch rituell gereinigt werden musste.

Literatur:

(1): Schnabel, Georg: Die Mazzebäckerei von Jakob Hirschenberger. In: Jahrbuch. Beiträge zu Geschichte und Gegenwart Karlstadt 2008/09 S. 195 – 202

(2): Bild Georg Schirmer

(3): Bild Hans Schlumberger

(4): Zeitzeugenbefragungen Förderkreis ehemalige Synagoge Laudenbach e.V.